Jahresrückblick 2022

 

 

 

Freundeskreis Museum Villa Stahmer e.V.

Rückblick 2022 – Ausblick 2023

Nach zwei Jahren Corona hat sich die Lage im Kulturbereich in 2022 wieder etwas entspannt. Insofern konnte der Freundeskreis Museum Villa Stahmer im abgelaufenen Jahr mit 13 Veranstaltungen aktiv werden. Die thematische Breite des Programms macht den Anspruch des Freundeskreises deutlich, für die verschiedensten kulturellen Interessen der Bürger*Innen etwas zu bieten. Aufgrund seiner ehrenamtlichen Tätigkeit ist der Verein bestrebt, die Eintrittspreise soweit wie möglich sozialverträglich zu halten und erzielte Überschüsse sozialen Projekten in Georgsmarienhütte zukommen zu lassen.

 

Rückblick 2022

Zum ersten Konzert des Jahres lud der Freundeskreis im Januar zu klassischen Klavierklängen mit dem Osnabrücker Pianisten André Sebastian Wickel die Sponsoren ein, die den Erwerb des Konzertflügels ermöglicht haben. Der „Irische Abend“ mit der Band „Bottle Of Rain“ anlässlich des St. Patrick Days im März war ein voller Erfolg. Im April las Winfried Bornemann besser bekannt unter seinem Pseudonym „Briefmacker“, in der Villa Stahmer und brachte das Publikum mit seinen „Jux-Briefen“ und „Verrückten Inseraten – Starke Antworten“ zum Schmunzeln. In einer nachdenklichen Lesung mit dem Titel „Töne der Vergebung“ erzählte der Cellist und Performance-Künstler Wilhelm Schulz aus Melle die bewegende Geschichte seines französischen Cellos, untermalt mit feinsten und gefühlsvollen Celloklängen.

„Als die Revolution nicht nach Georgsmarienhütte kam“ lautete der Titel der Revue im Mai, die, orientiert an dem gleichnamigen Buch von Johannes Börger, Johannes Jakob, Rainer Korte und Hans-Georg Weisleder, Erlebnisse und Erinnerungen aus Georgsmarienhütte an die 70er und 80er Jahre anschaulich und unterhaltsam thematisierte, begleitet mit Musik der Georgsmarienhütter Band „The BluesDefenders“. Die Kunstauktion im Mai zugunsten der ukrainischen Flüchtlinge in Georgsmarienhütte mit gespendeten Werken der Künstler*Innen des Kunstkreises Georgsmarienhütte war mit einem Erlös von 1.500 € ein voller Erfolg. Das Lohoff-Oppermann-Duo unterhielt im Juli sein Publikum mit Coversongs bekannter deutscher und internationaler Interpreten.

Nach der Sommerpause präsentierte Hartwig Kuhn aus Versmold im Oktober eine Lesung der besonderen Art. „Gedankenzeit“ lautete das Thema mit lyrischen Texten begleitet von hierzu passenden Fotos. Ein besonderer Leckerbissen war der Wiener Abend mit Musik von Fritz und Georg Kreisler, den Ingeborg Weyer, Klavier, Joachim Weyer, Gesang und Moderation und Hansdieter Meier (Geige) musikalisch gekonnt mit schwarzhumorigen Liedern und klassischen Geigen- und Klavierklängen sehr unterhaltsam gestalteten. Die Lesung „Streuungen“ des Lyrik-Kollektivs „l i c h t s t r e u “ entführte die Zuhörer*Innen mit einem Kettengedicht, entstanden während der Isolierung in der Coronazeit, in eine interessante und teilweise abstrakte Welt der Worte und Sprache, die bei genauem Hinhören viele Gedankenspiele beiden Zuhörern*Innen auszulösen vermochte. Freundinnen und Freunde der klassischen Musik kamen mit dem Konzert „Romantik x 3“ voll auf ihre Kosten. Der Osnabrück Komponist André Sebastian Wickel spielte Werke von Bach, Beethoven, Mendelssohn-Bartholdy und Korngold. Der Höhepunkt des Konzerts war unbestritten die „Mondschein-Sonate“ von Beethoven, die hervorragend von Wickel gespielt, begeistert von den Gästen aufgenommen wurde.
Den Jahresabschluss gestalteten die „The BluesDefenders“ mit  dem musikalischen Motto „from Texas to Chicago“, in dem sie mit klassischen Blues und rockigen Klängen ihr zahlreiches Publikum bestens unterhielten.

Romantische Klavierklänge in der Villa Stahmer am 25.11.22

….mit Konzertpianist André Sebastian Wickel

 

Nachdem das erste Klavierkonzert 2020 ein gelungenes Experiment für den Freundeskreis Museum Villa Stahmer war, lud der Verein im November den Pianisten André Sebastian Wickel zu einem weiteren Konzert in die Villa ein. Das Thema des Abends lautete: „Romantik x3“. Auf dem Programm standen Werke von Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Felix Mendelssohn Bartholdy und Erich Wolfgang Korngold.

Obwohl Bach nicht zu den Komponisten romantischer Musik zu zählen ist, spielte Wickel aus den „15 Inventionen“ Bachs die Nummern 8, 9 und 10, sozusagen als Hinführung vom Barock zu den folgenden romantisch gefärbten Kompositionen des Konzertabends. Bei Bachs Inventionen handelt es sich um zweistimmige Kompositionen, die mit ihrer Fantasie Satztechnik, Gliederung, Form und Aussage in übersichtlicher Weise zu einem harmonischen Ganzen bringen und von Bach selbst als Lehrstücke für Liebhaber des Klaviers bezeichnet wurden. Hoch konzentriert stellte Wickel diese ausgewogenen Kompositionen dem Publikum vor.Beethoven dagegen kann als früher Romantiker gesehen werden, wie Wickel erläuterte. Hierzu zählt seine bekannte Klaviersonate Nummer 14, die zu einem seiner populärsten Werke wurde. Sie steht an der Schwelle des Übergangs von der Klassik zur Romantik, was auch der ihr später gegebene Name „Mondschein-Sonate“ deutlich macht. Ein Werk in drei Sätzen, welches sich im dritten Satz, dem „Presto agitato“, mit mächtigen temporeichen Klängen zu einem großen Finale steigert und damit wohl den Ruhm der Sonate begründete.

Sehr gelassen, doch mit höchster Konzentration, setzte sich Wickel mit diesem Werk auseinander, das sich vom Pianissimo bis zum Fortissimo als eine extrem kontrastreiche Komposition mit einer großen klanglichen Dramaturgie zeigt und damit für jeden Pianisten auch heute noch nach über 200 Jahren eine außergewöhnliche Herausforderung darstellt. Wickel gelang es, sich mit großer Sicherheit und ausdrucksstark dieser schwierigen Aufgabe mit seinem virtuosen Spiel zu stellen. Die Präzision des Spiels gilt insbesondere auch für die musikalische Explosionen, die den 3. Satz beherrschen. Diese dramatischen Klangfolgen erfordern vom Pianisten einen „Parforceritt“ über die Tasten und ein hohes Maß an spielerischer Perfektion, der Wickel mehr als gerecht wurde. Mit den Werken „Venezianisches Gondellied“ und „Jägerlied“ aus dem Zyklus „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelsohn-Bartholdy wandte sich Wickel ganz der Romantik der Blüte des Biedermeiers zu. Eine Musik komponiert mit dem Ziel, das Klavierspiel wie Gesang ohne Worte erklingen zu lassen. Die Umsetzung dieses Ziels gelang Wickel äußerst gefühlvoll mit seinem präzisen und einfühlsamen Spiel.

Für den Schluss des Konzertabends hatte Wickel die Musik eines etwas in Vergessenheit geratenen Komponisten gewählt, der zu den Spätromantikern zu zählen Ist. Erich Wolfgang Kornfeld galt in seiner Jugend als „das wohl letzte Wunderkind“. Seine Kompositionen „Was der Wald erzählt“ mit den Stücken „Erwachen der Vögel am Morgen“, „Der verliebte Jägerbursch“ und „Heinzelmännchen“ komponierte er bereits im Alter von nur 12 Jahren.

Mit seinem virtuosen, konzentrierten und ausdrucksstarken Spiel begeisterte Wickel sein Publikum an diesem Abend wie der langanhaltende Applaus deutlich machte. Hochinteressant für die Gäste waren auch seine Erläuterungen zur Entstehungsgeschichte der gespielten Werke, die das Publikum mit Freude aufnahm und die Musik besser verstehen ließ. Das Konzert bestätigte mit seiner großen Resonanz beim Publikum, dass klassische Musik im breit gefächerten Programm des Freundeskreises einen festen Platz einnehmen sollte. So plant der Verein gemeinsam mit Wickel für das nächste Jahr eine Klassikreihe mit drei Konzerten, von denen ein Konzert Nachwuchsmusikern vorbehalten bleibt. Diese Konzertreihe wird durch eine Förderung des Landkreises Osnabrück ermöglicht. GRM

Lyrik-Lesung in der Villa Stahmer am 20.11.22

Das Lyrik-Kollektiv „lichtstreu“ las in der Villa Stahmer aus ihrem kürzlich erschienenen Buch „Ein Kettengedicht – Streuungen“. Ermöglicht wurde das Buch-Projekt durch die Förderung des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e.V. und des Landkreises Osnabrück. Entstanden ist die Idee ein Kettengedicht zu verfassen während der Corona Zeit, als es nicht möglich war, dass sich das Autoren-Kollektiv, dem Elke Engelhardt, Barbara Daiber, Lothar Flachmann und Ralf Burnicki angehören, treffen konnte. Damit gelang es ihnen, in einem Austausch mit Unterstützung der modernen begegnungslosen Kommunikationsmöglichkeiten während der „Isolationszeit“ künstlerisch in Kontakt zu bleiben. So konnte eine Gemeinschaftsarbeit, ein besonderes Projekt und schließlich das Buch entstehen, in dem alle Beteiligten eine individuelle Stimme haben. Kettengedichte haben übrigens ihren Ursprung in Japan, wo sie seit Jahrhunderten gepflegt werden.

Das Ergebnis des Projektes ist ein vierstimmiges poetisches Gespräch mit einem breit gestreuten kreativen sprachlichen Spektrum, das von reflektiver Gedankenlyrik über Sprachcollagen hin zu Wortbildern und Lautgedichten reicht. Die Autoren*Innen arbeiten spatenübergreifend zu thematischen Impulsen die der Malerei, der Musik oder einem experimentellen Kurzfilm entnommen sein können. In ihrer Arbeit teilen sie eine intensive Lust am Wort. So entstehen außergewöhnliche sprachliche „Lichtstreuungen“, die gesellschaftlichen Alltag in poetisches Leben umwandeln. Dieser Ansatz wurde in der Lesung in der Villa Stahmer mehr als deutlich. Mit dem Gedicht kreierte das Kollektiv einen Bilderreigen in Worten, dem es trotz seiner sprachlichen Abstraktheit gelang, bei genauem Zuhören den Zuhörer*Innen die Realitäten des Lebens deutlich werden zu lassen und den gesellschaftlichen Alltag in poetisches Leben umzuwandeln. Aber auch individuelle Resonanz auf die persönliche Lebenssituation riefen diese Texte hervor. Zu vergleichen sind sie mit abstrakten Gemälden, die den Betrachtern die unterschiedlichsten Interpretationsmöglichkeiten bieten.

Das Lyrik-Kollektiv „lichtstreu“ las in der Villa Stahmer aus seinem Kettengedicht „streuungen“. Von links: Ralf Burnicki, Herford, Elke Engelhardt, Bielefeld, Barbara Daiber, Melle, Lothar Flachmann, BielefeldInteressant waren auch Leerstellen in einigen Texten, die zum Innehalten und zu Gedankenspielen anregten. Es war spannend zu erleben, wie ein Gedicht auf ein vorhergehendes reagiert, wie es sich anschließt und verbindet, um ein weiteres Glied der Kette zu werden. Eine interessante Lesung, der sich eine intensive und fruchtbare Diskussion für das Publikum aber auch für die Autoren*innen anschloss, wie diese feststellten. Dabei ging es auch um das Verstehen oder Nichtverstehen von Lyrik mit dem Ergebnis, „dass Poesie die Freiheit biete, nicht alles verstehen zu müssen“. GRM

 

Ein Wiener Abend in der Villa Stahmer am 11.11.22

Schwarzer Humor gepaart mit klassischen Geigenklängen

Am 1.11.22 stand in der Villa Stahmer ein besonderes Konzert auf dem Programm. Der Freundeskreis Museum Villa Stahmer hatte zu einem Wiener Abend mit Musik von Fritz und Georg Kreisler eingeladen. Anlässlich des 100. Geburtstages von Georg Kreisler in diesem Jahr, hat Joachim Weyer (Gesang), gemeinsam mit Hansdieter Meier (Geige) und Ingeborg Weyer (Klavier) einen interessanten musikalischen Reigen zusammengestellt, um den großen Wiener Kabarettisten, Komponisten und Schriftsteller auf besondere Art zu ehren.

In dem Konzert lassen sie sich Georg Kreisler mit dem Wiener Geigenvirtuosen und Komponisten Fritz Kreisler musikalisch begegnen. Wie Weyer eingangs erläuterte, mussten Fritz und Georg Kreisler, gebürtige Wiener mit jüdischer Abstammung, ihre österreichische 1938/39 Heimat verlassen und emigrierten in die USA. Trotz ihres gleichen Nachnamens waren sie wohl nicht miteinander verwandt und sind sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie persönlich begegnet, wie Weyer aufgrund einer Rücksprache mit der Witwe von Georg Kreissler feststellen konnte. Während dieser für seinen skurrilen und oft auch schwarzen Humor bekannt war, den er in seinen Liedern pflegte, war Fritz Kreisler zu seiner Zeit berühmt als Geigenvirtuose und Komponist.

Mit dieser musikalischen Bandbreite entwickelte sich ein interessantes abwechslungsreiches Spannungsfeld, das den Abend für die Gäste des Konzertes nicht nur sehr unterhaltsam, sondern auch musikalisch äußerst interessant werden ließ. Weyer eröffnete das Konzert mit dem Lied, auf das die Kenner Georg Kreislers besonders gewartet haben. Das schwarzhumorige Frühlingslied und seinem bekannten Thema “…geh‘n wir Tauben vergiften im Park“ war und ist immer noch , sein musikalisches Aushängeschild. Ein Lied das, bei seinem Erscheinen, als ketzerisch und beleidigend empfunden wurde und Kreissler den Ruf einbrachte, dass er mit Entsetzen Scherz treibe und dem schwarzen Humor huldige. Dieser Ruf sollte ihn sein ganzes Leben begleiten. Zum weiteren Repertoire des Abends gehörten Lieder wie „Frühlingsmärchen“ und „Das Mädchen mit den drei blauen Augen“, mit denen er eine neue Art von Chansons kreierte, die er „seltsame Gesänge“ nannte. Hierzu zählt auch das wohl bekannteste „Zwei alte Tanten tanzen Tango“. Aber auch fast schlagerartige, wenn auch skurril und surrealistisch, wie das Chanson „Barbara“ gehörten zum Repertoire des Abends. Im zweiten Teil des Abends unterhielt Weyer das Publikum mit weiteren pointierten Liedern der besonderen Art. Hierzu zählten u.a. „Mütterlein“, „Der Hund“ und „Triangel“ oder auch „Der Musikkritiker“. Mit diesem Liederreigen erfüllte Weyer mit seiner ausdrucksstarken Stimme, verbunden mit wienerischem Akzent und seinem akzentuierten Gesang voll und ganz die Erwartungen des Publikums. Immer einfühlsam und pointiert auf dem Flügel begleitet von seiner Frau Ingeborg.

Chanson trifft Klassik. Die Konzertbesucher*innen erlebten bei wienerischen Klängen einen ganz besonderen Abend in der Villa Stahmer

Während die Lieder Georg Kreisslers an diesem Abend im Vordergrund standen, sollte der dargebotene klassische Part aber nicht in Vergessenheit geraten. Hansdieter Meier gelang es hervorragend, mit seiner Geige dem Konzert eine besondere Note zu verleihen und wunderbare klassische Klänge von Fritz Kreisler in der Villa Stahmer erklingen zu lassen. Dieser war ein Wunderkind, das bereits mit sieben Jahre in das renommierte Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufgenommen wurde, wie Meier zu berichten wusste. Meier spielte Kreislers Barockstück „Tempo die Minuetto“ und das „Liebesleid“, aus Kreislers bekanntem Zyklus „Alt-Wiener Tanzweisen“. Bekannt war Kreisler neben seinen Eigenkompositionen aber auch für seine gelungenen Bearbeitungen von Werken bekannter Komponisten, wie Meier in seiner Moderation feststellte. So konnte sich das Publikum als Kontrast zu den schwarzhumorigen Liedern auf die Interpretationen „Lied ohne Worte“ (Mendelson-Bartholdy), „Rondino“ (Beethoven) und „Humoreske“ (Dvorac) freuen, die Meier mit großer Spielfreude präsentierte.

Den drei Protagonisten des Abends gelang es mit ihrer Symbiose aus unterhaltsamen Chansons und klassischer Musik einen ganz besonders reizvollen Konzertabend zu gestalten, der den Gästen noch lange in guter Erinnerung bleiben dürfte. Für die vom Publikum geforderte Zugabe hielt das Trio eine Überraschung bereit, indem sie es einluden, mit dem ausgegebenen Text gemeinsam das Lied „Tauben vergiften im Park“ anzustimmen. Wie sagte Weyer so schön bei seiner Begrüßung in Anlehnung an Jürgen Becker von den Mitternachtsspitzen im WDR 3: „Dann wollen wir uns mal einen schönen Abend machen!“ Und das war mehr als gelungenen, wie die Resonanz der Besucher nach dem Konzert deutlich machte. GRM